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Kanban und Beschaffungsmanagement für jeden Betrieb

Kanban © JackF

Kanban und Beschaffungsmanagement sind zwei Begriffe mit großer Bandbreite für KMU und Handwerk. Wann, wo und wie bestellen Sie Ihre Rohstoffe, Werkzeuge und Verbrauchsgüter? Praxisnah und auf den Punkt erklären wir in diesem Artikel, was dazugehört – für Ihren Erfolg!

Beschaffungsmanagement und Kanban – was ist das?

Die einzelnen Möglichkeiten zur Beschaffungsstrategie behandeln wir im Beitrag über Sourcing. Hier beschränken wir uns auf einen kurzen Rückgriff der verschiedenen Sourcing-Möglichkeiten. Beschaffung von Materialien im Kanban-System braucht mehr als eine Lieferantenliste, sondern gehört zum Kern des Lean Managements und der Arbeit mit dem Wertstrom. Anschließend betrachten wir die Einführung von Kanban in einem Beispielbetrieb.

Sourcing in kurz

Verschiedene Arten von Sourcing betreffen vorwiegend die Zahl der Lieferanten: Monopol oder bewusste Reduzierung auf einen Anbieter, regional, national, international – Beschaffung klappt auf vielen Wegen:

  • Single Sourcing: Beschaffung eines Produktes oder einer Dienstleistung aus einer Quelle.
  • Dual Sourcing: Ein Produkt von zwei verschiedenen Anbietern senkt das Ausfallsrisiko.
  • Multiple Sourcing: Mehrere Lieferanten für das gleiche Produkt, um die Lieferkette aufrecht zu erhalten und bessere Preise zu verhandeln.
  • Global Sourcing: Lieferanten international und weltweit für den besten Preis.
  • Local Sourcing: Gegenläufiges Konzept für Regionalität, Nachhaltigkeit und kurze Lieferwege.
  • Forward Sourcing: Die Wertschöpfungskette im Ganzen schließt die nachfolgenden Produzenten ein. Gemeinsame Entwicklungsarbeit mit Chancen und Risiken.
  • Sole Sourcing: Monopol durch Regierungsauflagen, Patentinhaber oder anderen Arten der Lieferhoheit. Chancen und Risiken durch die Zusammenarbeit mit einem Partner.
  • Modular Sourcing: Module = Baugruppen in kleineren Fertigungen statt vollständiger Produkte. Großes Thema beim Outsourcing von Prozessen, die nicht Kernprozesse sind.

Beschaffungsmanagement in schwierigen Zeiten

Das Pandemie Risiko im Frühjahr 2020 zeigte, wie gut unsere Lieferketten insgesamt funktionieren. Einschränkungen gab es durch verringerte Frachtmengen und nicht-bedarfsgerechte Einkäufe. Die Neuorientierung und das Beschaffungsmanagement sorgten bald für Nachschub, das Klopapier schien gerettet. Probleme kamen auf, weil verunsicherte Menschen nicht bedarfsgerecht kauften (= nach dem Kanban-Prinzip), sondern hamsterten. Die Gefahren von hohen Lagerbeständen beleuchten wir im Beitrag über die Acht Arten der Verschwendung. Wenn das Beschaffungsmanagement nicht nach Kanban arbeitet, sondern hamstert, sehen wir genauer nach: Darunter liegende Probleme wie problematische Geschäftsprozesse und fehlende Kennzahlensysteme bleiben bei unseren Kunden lange verborgen. Mehr Platz ist das falsche Ziel.

Kanban für bedarfsgerechte Lieferung

Lieferung mithilfe einer Kanban-Karte ist die Toyota basierte Art die Produktion zu steuern: In der Produktion kommt das Kanban-Signal, dass Nachfrage besteht – die Nachlieferung startet, bedarfsgerecht und prompt. Ausschlaggebend ist das Pull-Prinzip: Die Nachfrage regelt die Produktion.
Kanban vermindert hohe Lagerbestände und hilft in der Lean Production und im Lean Office durch ein ausgeklügeltes System im Beschaffungsmanagement. Wann kommt das Signal zur Bestellung, wie lange ist die Lieferzeit, welchen Vorrat brauchen Sie an welcher Stelle?

Kanban in der Fertigung
Mit und ohne Kanban-System

Kanban als ideale Beschaffungsstrategie?

Kanban klingt simpel und birgt zeitgleich nicht zu unterschätzende Tücken in der Einführung. Gab es bisher große Lagerbestände, braucht es das richtige Maß für sinnvollen Vorrat statt verschwendetem Platz. Die Umstellung verläuft in mehreren Schritten:

  1. Ist-Zustand festhalten: Wie ist das Prozessmanagement und die Kommunikation in der Fertigung? Wie setzt sich die Lieferkette zusammen?
  2. Ziel-Zustand definieren: Was ist das gewünschte Ergebnis? Welche Bereiche betrifft die Zielsetzung?
  3. Etappen festlegen: Wie bauen Sie Bestände ab? Welche Änderungen braucht der Ablauf für Kanban? Gibt es Probleme in der Organisation, die Beachtung brauchen?
  4. Kanban einführen: Nach Plan und als ganzheitliches Prinzip implementieren Sie Kanban und kontrollieren die Einhaltung der Vorgaben und die erwartete Zielentfaltung.
  5. Controlling beibehalten: Denn gerade Lager wachsen mit der Zeit. Achten Sie deshalb auf Ihre Bestände in Zusammenhang mit Ihrem Geschäftsmodell und dem Kundenwunsch. Klare Kennzahlen helfen bei der Überwachung.

Toyata im Handwerk?

Wie groß ist Ihr Lager? Ist es ausreichend oder planen Sie bereits Investitionen wie eine Erweiterung? Wann bestellen Sie regelmäßig Ihre Materialien? Nach Bedarf, bei sinkendem Bestand oder bezogen auf Kundenprojekte? Wie sah das Lager beim letzten Betriebsrundgang aus? Denn Kanban und die Lean Prinzipien bieten große Möglichkeiten mit Hilfe der XYZ-Analyse und anderen Methoden Lagerhüter herauszufinden und das Beschaffungsmanagement anzupassen.

Ihre Vorteile:

  • weniger Platzbedarf, mehr Raum für wertschöpfende Tätigkeiten
  • Kostensenkung durch weniger Miete, Nebenkosten, Instandhaltungskosten
  • eingespartes Geld durch angepasste Lagermengen und weniger Ausfall durch Überlagerung
  • Zeitsparen durch übersichtliche Lagerbestände, weniger Suchen, schnellere Inventur
  • klare Kostenstellen für Ihre Produkte statt großer Gemeinkosten
  • Optimierung der Geschäftsprozesse: Kanban sorgt für reibungslose Abläufe, da Bestände keine Fehlplanung abfedern.

Kanban als Beschaffungsmanagement für jeden?

Nicht in jedem Fall ist Kanban die ideale Beschaffungsstrategie. In unserer Beispiel-Bäckerei „Bäckerei Bittersüß“ kommt Kanban schlecht geplant in manchen Bereichen an seine Grenzen:

Herr Bittersüß führt seine Bäckerei mit alltäglichen Backwaren und Auftragsarbeiten in seiner Tortenküche. Sein Warenlager quillt regelmäßig über, wenn er von seiner regionalen Mühle neue Rohstoffe bekommt. Für Tortenbestellungen hält er grundsätzlich einen Vorrat für Deko vor, die besondere Lagerung benötigt. Jedes Jahr bei der Inventur wirft er überlagerte Waren weg und stockt neu auf.
Seine Tochter beschäftigt sich intensiv mit der Optimierung von Prozessen und Beschaffung im Handwerk und überzeugt ihn von Kanban. Bestellungen für Tortenwünsche tätigt Herr Bittersüß jetzt erst bei Auftragserteilung. Mit der Mühle macht er aus, dass sie die Lieferungen bedarfsmäßig liefern statt im Rahmenvertrag.
Nach ein paar Wochen häufen sich die Probleme: Die Bestellung für bestellte Torten lief kurzfristig über einen anderen Lieferanten und entspricht nicht den Qualitätsstandards. In der folgenden Woche fällt in der Mühle eine Maschine aus und Herr Bittersüß kauft Mehl im Großmarkt.

Wann funktioniert das im Handwerk?

Herr Bittersüß vollzog kurzfristig eine 180°-Wende in seiner Beschaffungsstrategie. Mit knappen Lagerbeständen und ohne ausfallsichere Lieferketten geriet er deshalb in Stress und zahlte drauf.
Kanban braucht dagegen einen klaren Plan, durchdachte Zielsetzung und ein Risikomanagement, das solche Risiken mit abdeckt. Denn in diesem Fall war eine jeweilige Single Sourcing-Strategie fehleranfällig und hat die Vorteile des Kanban-Systems zunichte gemacht:

Seine Mitarbeiter freuten sich aber über den Raum im Lager und die tolle Qualität der frisch gelieferten Rohstoffe. Zusätzliche Waren als Beigabe oder Zusatzbestellung ermöglichen zusätzlich neue Rezepte saisonal und an die Kundenwünsche angepasst.

Ein zweiter Kanban Versuch steht in der Bäckerei Bittersüß an: Denn nach Testkäufen hat Herr Bittersüß mehrere Lieferanten, die er beauftragt und die im Notfall einspringen. Das Kanban im Lagerraum arbeitet mit einem Bestellkarten-System, wenn der Vorrat für einen bestimmten Zeitraum unter eine Linie fällt. Im neuen, freien Bereich haben deshalb die Auszubildenden Platz, ihre Lehrstücke herzustellen.

Beschaffungsmanagement mit Pull Prinzip
Beschaffungsmanagement mit Pull Prinzip

Beschaffungsmanagement mit Kanban zusammgenfasst

Statt alles wegzuwerfen und panisch nachzukaufen empfehlen wir dieses Vorgehen: Ist-Zustand, Ziel-Zustand und Etappen-Festlegung mit Zielkontrolle. Ein Kanban-System funktioniert in der Gastronomie: Gast ist fertig mit der Vorspeise, der Service ruft den Hauptgang ab. In der Autoindustrie: Die Bauteile kommen just-in-time an und entsprechen deshalb dem Bedarf. In der Bäckerei: Der Vorrat reicht für eine bestimmte Zeitspanne, Sonderbestellungen haben dagegen Sonderlieferungen. Kombiniert mit Kanban-Scannern in der Produktion, kann dann nicht mehr viel schief gehen!

Gerade im Handwerk ist doch ein gewisser Vorrat wichtig mit Schrauben, Gewürzen, Bohraufsätzen oder anderen Materialien. Die Kunst liegt deswegen in der Messung und Steuerung, damit die Arbeit reibungslos läuft ohne Verschwendung durch hohe Bestände! Schreiben Sie uns, wenn Sie Ihr Lager auf Vordermann bringen wollen!

Es grüßt aus Bayreuth,
Axel Schröder

Bildquelle: Canva.com © JackF