Kennzahlen und Kennzahlensysteme werden von Controllern in der Industrie heiß geliebt, vermitteln sie doch ein Gefühl von Messbarkeit und Beherrschbarkeit hoch komplexer Zusammenhänge.
Für viele Handwerker und Inhaber von kleinen und mittleren Betrieben stellen sich dabei grundlegende Fragen, wie:
- Was bedeuteten Kennzahlen für mich und mein Unternehmen?
- Welche Kennzahlen brauche ich?
- Wie kann ich ein System an Kennzahlen aufbauen, das für meine Firma passend ist?
- Hurra, ich habe Kennzahlen – und jetzt?
Diese Fragen möchte ich im nachfolgenden Artikel beantworten und Tipps & Tricks für Kennzahlen für Handwerker und kleine Unternehmen geben.
Inhaltsverzeichnis
Was sind Kennzahlen? Was sind KPI?
Was versteckt sich hinter den Key Performance Indikators (KPI) und ist das gleichbedeutend mit Kennzahlen?
Kennzahlen sind nichts anderes als betriebswirtschaftliche Messpunkte, die willkürlich oder aus guten Gründen gesetzt werden – nichts anderes. Und solche Messpunkte kann es in einem Unternehmen viele geben. Lesen Sie dazu auch unseren Artikel Grundlagen von Kennzahlen für Handwerker.
Dabei wird noch zwischen Ergebnis– und Leistungskennzahlen unterschieden:
- Eine Ergebniskennzahl ist eine Kennzahl mit der überprüft wird, ob der Prozess die Zielsetzung erfüllt hat. Sie gibt Auskunft, ob Ziele erreicht wurden. Diese Ziele können z.B. Qualitätsverbesserung, Effizienzsteigerung oder eine Steigerung der Wirtschaftlichkeit der Prozesse sein.
- Die Leistungskennzahl beschreibt die Messung des Fortschritts eines Prozesses hinsichtlich der Zielerreichung. Oft findet man den Begriff auch unter Key-Performance-Indicator (KPI). Beispielsweise wird die tatsächliche Auslastung einer Maschine ihrer theoretisch möglichen Leistung genübergestellt.
Ein Key-Performance-Indikator ist aus den verschiedenen Kennzahlen eine (vermeintlich) besonders wichtige, weil sie „Schlüssel-Zustände“ misst. Schlüssel-Zustände ist hier meine eigene Wortkreation, um Ihnen die Wirkung von KPIs zu erklären.
Bei einem Auto gibt es viele Instrumente, die Werte messen und anzeigen. Öldruck und Kühlwassertemperatur, Batteriespannung, Außentemperatur und viele weitere sind Beispiele, die Sie vielleicht kennen.
Die aktuelle Geschwindigkeit und der Tankstand sind für den Fahrer eines Autos aus allen Instrumenten die eher wichtigen. Bei einem Auto würde man daher von der Geschwindigkeit und dem Tankinhalt von KPIs sprechen.
Definition der Key Performance Indicators =
Kennzahlen, die wichtige Schlüssel-Zustände zur Erreichung eines Ziels messen und anzeigen.
Häufig wird von „Kritischen Erfolgsfaktoren“ gesprochen, weil diese wichtige Stellhebel für die Erreichung von Unternehmenszielen darstellen (sollen). In der Praxis zeigen sich diese kritischen Erfolgsfaktoren meist genauso wie hochgepriesene KPIs manipulierbar oder eigentlich irrelevant. Zumindest für die Entwicklung und Beurteilung des Unternehmens.
Welchen Sinn machen Kennzahlen?
Sinn machen Kennzahlen, wenn sie Zustände messen und anzeigen, die Relevanz für das verfolgte Ziel haben. Sie sind damit eine greifbare Zahl für den Vergleich der Entwicklung und ihre Bedeutung ist nicht zu unterschätzen. Wichtig ist, dass das Verhältnis stimmt, deshalb müssen Sie auch andere Faktoren im Auge behalten. Sinkt die Fehlerzahl um 20% ist das erfreulich! Hat sich dagegen die Zahl der verkauften Artikel um ein Drittel gesenkt, haben Sie sich zu früh gefreut. Achten Sie auf Ihre Daten und was genau Sie messen wollen:
Kennzahlen setzen Ziele voraus
Das bedeutet natürlich, dass man vorher Ziele definieren muss. Ohne Ziel lässt sich nicht prüfen, ob man auf dem richtigen Weg ist. Ohne ein im Vorfeld gesetztes Ziel sollten Sie sich jede Art Kennzahl als reine Zeitverschwendung sparen (Tipp! Lernen Sie die 8 Arten der Verschwendung kennen!). Es macht einfach keinen Sinn, weil es keine Relation/keinen Bezugsrahmen gibt.
Beispiel zum Bezugsrahmen:
1 Million EUR Umsatz mag für einen Drei-Mann Zimmereibetrieb ordentlich sein, für ein Unternehmen wie Siemens ist deutlich zu wenig. Ohne Bezug hat keine Kennzahl eine Aussagekraft.
Aussagekräftiger wäre, wenn der Drei-Mann Zimmereibetrieb im Vorjahr 800.000 EUR Umsatz erwirtschaftet hat und nun 1 Million EUR Umsatz anstrebt. Die Kennzahl „Umsatz“ bekommt eine Bezugsbasis und ein Messwert wie 916.567 EUR Umsatz eine Aussage, knapp am Soll-Umsatz.
Kennzahlen setzen Relevanz voraus
Es gibt gerade im betrieblichen Umfeld viele Kennzahlen, die für eine aktive Steuerung des Unternehmens keine Relevanz aufweisen. Bücher à la „Die 1.000 schönsten KPIs aus Produktion und Marketing“ dürfen im Schrank bleiben. Mit solchen „Anregungen“ produziert man Kennzahlenfriedhöfe, die teuer im Unterhalt sind und wenig nutzen. Früher oder später kümmert sich keiner mehr um sie und sie werden vergessen.
Man muss sich daher immer fragen, was man messen will.
Welchen Sinn macht ein Messpunkt, eine Kennzahl, an dieser Stelle in meinem Betrieb, oder sollte er anders gesetzt werden?
Kennzahlen-Ziele im Beispiel
Der Trinkwasserbedarf in einem Haus soll geprüft werden. An der Kanaleinleitung macht die Wasseruhr nur für Trinkwasser keinen Sinn: Wasser kann auch im Garten zum Blumengießen verwendet werden, es wird getrunken etc. Das Messergebnis wäre nicht brauchbar, weil es für die Messung des Trinkwasserbedarfs an der falschen Stelle sitzt. Die Kennzahl hat für diesen Zweck keine Relevanz.
Deshalb wird die Wasseruhr bei der Hauszuleitung eingebaut, um tatsächliche Trinkwassernutzung zu messen.
Von der Wasseruhr gehen wir zur Kundendatei:
Macht es Sinn, die Anzahl der Kunden in einer Kundendatenbank zu zählen?
Relevanz der Analyse – betriebswirtschaftliche Daten und Benchmarking
Es kommt darauf an, welche Aussage Sie mit der Kennzahl treffen wollen. Die Datenbank kann veraltet sein (Kunden sind weggezogen, kaufen bei der Konkurrenz etc.). Dann bringt die Anzahl der Kunden keine Aussagekraft.
Wenn es darum geht, die Anzahl der Kunden zu potenziellen Nutzern ins Verhältnis zu setzen, kann ein Gefühl für Marktdurchdringung erreicht werden.
Erst muss man sich im Klaren sein, was man messen will, erst dann kann eine Kennzahl sinnvoll eingesetzt werden. Informationen sammeln gehört zum guten Management – fürs Controlling wollen Sie einen Gewinn daraus ziehen. Die Kennzahl ist immer nur ein Messpunkt, der anzeigt, ob der Weg zur Vision stimmt.
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Was sagen Kennzahlen aus?
Man sollte sich im Vorfeld überlegen, in welchem Bereich die Kennzahl landen kann. Außerdem braucht es eine Einschätzung, was man der ermittelten Zahl für eine Aussagekraft beimisst.
Konkret: Welcher Wert einer Kennzahl ist „gut“, „noch akzeptabel“ oder „schlecht“. Diese Überlegung zum Benchmarking ist wichtig, um später entsprechend auf die Kennzahl angemessen reagieren zu können. Das gilt besonders, wenn die Kennzahl zum ersten Mal erhoben wird.
Aussage einer Kennzahl im Beispiel
Ist ein Ergebnis von 1 gut oder schlecht? Im Bereich der klassischen Schulnoten wäre 1 mit „sehr gut“ der Bestwert. Im Bereich von Punkten in Klausuren entspricht 1 „mangelhaft“.
Diese Festlegungen sollte man vorher schriftlich fixieren – oft gibt es Aha-Erlebnisse. Eine Zahl, die Ihnen nicht gefällt, sollten Sie nicht „nachjustieren“. Glauben Sie mir, sich Dinge schönzureden, die in der Realität anders aussehen, geht nach hinten los.
Ich habe dieses „Nachjustieren“ z.B. bei der Interpretation von betriebswirtschaftlichen Auswertungen (sog. BWA) durch die Firmeninhaber leider regelmäßig erlebt.
Die Top 5 der Realitätsverweigerung:
- „Nur eine vorübergehende Umsatzdelle“
- „Die Konjunktur ist schuld“
- „Unsere Kosten gehen durch die Decke? Nein, das wird schon wieder.“
- „Forderungsmanagement? Unsere Kunden zahlen schon (irgendwann) …“
- „Lagerbewirtschaftung? Na jee, das brauchen wir ja alles auf Lager …“
Diese Inhaber haben ein handfestes Strukturproblem, welches sie die Rendite kostet, morgen die Liquidität und übermorgen das Unternehmen! Für solche Fälle hilft übrigens Feine Organisationsentwicklung!
Was passiert nach Ermittlung der Kennzahlen?
Womit ich beim nächsten wichtigen Punkt bin: Was passiert, wenn das Kennzahlenergebnis ermittelt ist?
Nur zur Kenntnis nehmen, wäre reichlich viel Aufwand für die Ermittlung und wenig Erkenntnisgewinn.
„Mit dem Kennzahlensystem steuern wir das Unternehmen“ sind häufig getätigte Floskeln.
Ursachenforschung für eine bessere Entwicklung
Wer steuert da was? Man muss die Ursachen erforschen, die zu dem Messwert geführt haben. Dann kann man sich Gedanken machen, ob der Wert in der Zukunft durch bestimmte Maßnahmen veränderbar ist.
Meine Erfahrung zeigt, dass die wenigsten Messergebnisse EINE Ursache haben. In der Mehrzahl der Fälle liegt ein Ursachenbündel vor. Hier muss der Hebel angesetzt werden, Um Veränderungen in Gang zu setzen.
Verantwortung für die Messung und Analyse von Kennzahlen
Also, für jede Kennzahl muss jemand verantwortlich sein. Verantwortlich bedeutet nicht „schuldig für das Messergebnis“, sondern wie ein Patenonkel „zuständig“ im positiven Sinne. Der Verantwortliche hat dann die notwendigen Maßnahmen zu erarbeiten und umzusetzen.
Dabei ist zu beachten, wie die Kennzahl zum betrieblichen Umfeld steht. Ist die Kennzahl vorlaufend, gleichlaufend oder nachlaufend? Also, zeigt mir die Kennzahl einen Effekt an, der in der Zukunft liegt oder jetzt in der Gegenwart passiert? Liegt der Effekt in der Vergangenheit und ist er für eine Beeinflussung eigentlich nicht mehr fassbar?
Beispiele für vor-, gleich- und nachlaufende Effekte
Die Anzahl der vorbestellten Brötchen ist ein vorlaufender Indikator für Umsatz in der Zukunft. Die Brötchen sind nicht gebacken, aber durch die Vorbestellung praktisch schon verkauft.
Die Anzahl von Fachartikeln in der Innungszeitung ist ein vorlaufender Indikator für die künftige Bekanntheit des Betriebes.
Die Umschlaghäufigkeit der Lagerbestände ist ein gleichlaufender Indikator zur Auslastung, während der Umsatz ein nachlaufender Indikator für vergangene Qualität der Brot- und Backwaren ist.
Welche Kennzahl ist nun die richtige?
DIE richtige Kennzahl gibt es nicht. Für jeden Betrieb muss individuell geprüft werden, welche Kennzahlen sinnvoll sind, mit einfachen Mitteln erhoben werden können und welche Aussagekraft sie haben.
Sich eines von den vielen Büchern à la „555 Kennzahlen aus der Praxis“ zu kaufen und auf seinen Handwerksbetrieb zu schustern, reicht eben gerade nicht.
Man verliert sich oft in einem Wust aus unterschiedlichsten Kennzahlen ohne wirkliche Aussagekraft. So verschwendet man wertvolle Zeit mit der Erhebung, bis der Frust kommt und das ganze Zahlenwerk in der Ablage P endet.
Aufbau eines individuellen Systems an Kennzahlen
Eine gute Möglichkeit, sich ein Kennzahlensystem aufzubauen, ist das bewährte Konzept der Balanced Scorecard zu verwenden. Da die Balanced Scorecard im Handwerk und bei kleinen Unternehmen noch wenig verbreitet ist, möchte ich einige wenige Prinzipien ansprechen.
Schritt 1: Ziele definieren
Legen Sie Ziele fest, die Sie erreichen wollen und die auch messbar sind. Idealerweise finden Sie Ziele in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern (Dimensionen) wie finanzielle Ziele, Kundenziele, Prozessziele oder Mitarbeiterziele. Denken Sie daran, dass Sie vorlaufende, gleichlaufende und nachlaufende Ziele definieren.
Beispiel für ein vorlaufendes Ziel: Die A-Kunden sollen vom Außendienst besser betreut werden und es werden mehr Kundenbesuche geplant.
Schritt 2: Ursachen & Wirkungen bestimmen
Verketten Sie die einzelnen Ziele über Ursachen und Wirkungen. Geschulte Mitarbeiter können zum Beispiel den Kunden besser beraten, er wird zufriedener und kauft daher mehr/öfter. Oder die Zeit von einer Kundenanfrage zum versendeten Angebot wird verkürzt, was schneller zum Auftrag und zu Umsatz führt. Tipp! Hintergrundartikel Angebotsmanagement
Schritt 3: Kennzahlensysteme festlegen
Legen Sie geeignete Messpunkte für die Messung der Zielerreichung fest und bestimmen Sie, was als gut und was als schlecht gilt.
Schritt 4: Kennzahlen (automatisiert) erheben
Nun erheben Sie über einen gewissen Zeitraum die Kennzahlen. Ideal ist es, wenn Sie die Kennzahlen aus der bestehenden EDV automatisiert entnehmen können.
Schritt 5 – oft vergessen: Maßnahmen definieren
Leiten Sie aus den Kennzahlen ganz konkrete Maßnahmen ab, um die Ziele zu verbessern. Beispiele hierfür sind die systematische Schulung der Mitarbeiter, echte Prozessverbesserungsprojekte wie Reduktion der Rüstzeiten, ein Besuchsplan für den Außendienst etc.
Zusammenfassung Kennzahlen im KMU
Richtig angewendet, helfen Kennzahlensysteme, Gefahren im Unternehmen schneller zu erkennen. Sie sind daher auch Teil eines umfassenden Risikomanagements.
Kennzahlensysteme machen Sinn, wenn man die richtigen Kennzahlen verwendet und konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der entsprechenden Ziele ableitet und vereinbart.
Wenn Sie Unterstützung oder Tipps bei der Arbeit mit Kennzahlen für Ihr Unternehmen oder Ihren Handwerksbetrieb brauchen, helfe ich Ihnen gerne weiter.
Denn richtige Kennzahlen sind wirklich eine hervorragende Unterstützung bei der Führung eines Unternehmens.
Es grüßt aus Bayreuth
Axel Schröder
Bildquelle: fotolia, © nd3000
Übersicht über Kennzahlen – unsere Checkliste
Kennzahlen – die Checkliste
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