Was macht eine Messung alles aus? Oder anders: Was macht es aus, wenn es keine Messung gibt? Wir haben alle kleineren und größeren Auswirkungen davon zusammengetragen und erklären, warum Messung und Steuerung für jedes Unternehmen, jeden Handwerksbetrieb und auch Soloselbstständige so wichtig sind!
Inhaltsverzeichnis
Professionelles Arbeiten ohne Messung? Unvorstellbar!
Absurde Beispiele ohne Messung
Es ist 07:30h. Der Zimmereibetrieb erscheint auf der Baustelle Ihres künftigen Einfamilienhauses. Nach einem prüfenden Blick zum Himmel und einer beiläufigen Besichtigung der Baustelle werden irgendwelche Balken abgeladen und zusammengenagelt. Auf den entgeisterten Blick des Bauherrn meint man: Passt schon!
Ein Dachstuhl ohne vorher auszumessen? Oder die Tragfähigkeit der Balken zu prüfen? Unvorstellbar! Niemand tut das!
Nachmittags in einer Arztpraxis. Der Patient betritt das Behandlungszimmer. Der Arzt hebt den Blick und meint: “ Blutdruck 92 zu 64, etwas wenig.“ Ohne ihn gemessen zu haben. Eine völlig absurde Vorstellung, oder?
Abends bringen Sie Ihr Leergut zum Supermarkt, um Ihr Pfand zu erhalten. Es wird nicht abgerechnet, sondern es werden 4,20 EUR behauptet. Wird schon passen.
Zum Ferienbeginn fahren Sie in den Urlaub. Den Tacho für die Geschwindigkeit und die Anzeige für den Tankinhalt Ihres Autos haben Sie mit schwarzer Folie abgeklebt. Wer braucht schon eine Messung?
Alle Ihre Uhren haben Sie großzügig verschenkt. Messung der Zeit? Kinderkram.
Das sind alles ziemlich surreale Beispiele eines einzelnen Ergebnisses einer Messung. Weil es schlicht absurd wäre, nicht zu messen.
Auch absurde Beispiele ohne Messung?
- Wie viele Angebote erstellen Sie pro Jahr und wie viele davon werden dann zu Aufträgen?
- Und wie lange brauchen Sie, um ein Angebot zu erstellen?
- Wie viel Zeit vergeht, bis Sie anschließend eine Rechnung erstellt haben?
- Im Durchschnitt: Wie lange dauert es von Auftragserteilung bis Zahlungseingang?
- Wie oft kommt es vor, dass Material (Schrauben, Werkzeug etc.) vergessen wird?
- Denn wie viel Arbeitszeit steht in Ihrer Werkstatt zur Verfügung und wie viele Arbeitswerte (Zeit) ist davon verrechenbar?
Ich habe in den Jahren als Unternehmensberater sehr viele Unternehmen von innen gesehen. In den meisten davon wurden die oben genannten Punkte NICHT gemessen. Es wurde deshalb auch noch nie die Leistungsfähigkeit von Prozessen unter die Lupe genommen.
Es stellt sich für mich die Frage:
Warum ist praktisches Arbeiten ohne Messung einfach absurd und warum fällt uns die Messung von Büroarbeit und Prozessen dagegen so schwer?
Was messen wir und was nicht?
Es ist schon seltsam. Die oben genannten Beispiele zeigen, dass Messungen in bestimmten Bereichen völlig normal sind. Es kommt uns absurd und unprofessionell vor, wenn es KEINE Messung gäbe. In anderen Bereichen sind Messungen aber völlig unüblich und wir „wursteln“ vor uns hin.
Dieser Frage beschäftigt mich deswegen schon länger. Daher bin ich ihr in den letzten Jahren recht intensiv nachgegangen. Meine Erkenntnisse möchte ich Ihnen gerne zur Verfügung stellen.
Was messen kleine Unternehmen wie Handwerker? Mir sind zur Messung dabei drei Kategorien aufgefallen.
Regelmäßige Messungen in kleinen Unternehmen
- alle technischen Größen der Produkterstellung wie Länge, Breite, Höhe, Gewicht, Spannung, Strom, Druck, etc.
- als kaufmännische Größen die Einkaufspreise von Vorleistungen (Material, Dienstleistungen)
Unregelmäßige Messungen
- kaufmännische Größen als eine Momentaufnahme wie Zahlungseingang, Gewinn, Ertragskraft des Unternehmens, Rentabilität eines Projektes (Nachkalkulation)
Fast immer ohne Messung
- Größen zur Effizienz der eigenen Prozesse wie Durchlaufzeiten, First Time Right (Qualitätskennzahl wie oft nachgebessert werden muss), Abschlussquoten etc.
- Indirekte Kosten (z.B. Weg des Mitarbeiters zum zentralen Drucker, Dauer des „Hochfahrens“ eines Computers, Suchzeiten, Wartezeiten, Maschinenauslastung)
- Größen zur Erreichung von Unternehmens-Zielen wie Kundenzufriedenheit, Treffen des Finanzplanes, Termintreue bei Innovationen wie einem neuen IT-System
- Messung der Personalentwicklung und Personalplanung (z.B. Abgleich der Fähigkeiten von Mitarbeitern zum Anforderungsprofil, Trainings, Motivation etc.)
Mit technischen Größen wie Länge oder Gewicht fällt eine Messung deshalb offensichtlich leichter. Klassische kaufmännische Größen wie Gewinn oder Forderungsbestände fallen dagegen schon schwerer. Recht neue Konzepte zur Effizienzmessung sind hingegen kaum in der täglichen Praxis zu finden.
Eine Erklärung könnte die Zeit sein, in der die Menschheit mit diesen Themen in Kontakt steht.
Die technischen Größen sind seit vielen tausend Jahren bekannt. Die doppelte Buchführung seit dem Mittelalter, moderne Buchhaltung seit dem Beginn der Industrialisierung (schöne Auflistung zur Geschichte der Buchhaltung hier).
Prozessmanagement oder Lean Management sind recht neue Erscheinungen und „erst“ rund 60 Jahre alt. Vielleicht ist das zu wenig, um zur allgemeinen Gewohnheit zu werden. Die Messung der Effizienz ist also noch nicht zum Automatismus, zur DNA eines Unternehmens geworden. Insbesondere nicht für Tätigkeiten in Büro und Verwaltung.
Im Umkehrschluss bedeutet das aber, man muss sich als Unternehmer, als Inhaber eines Betriebes, proaktiv damit auseinandersetzen.
Warum sollten wir „messen“?
Ohne Messung keine Steuerung
Eine Messung bedeutet eine Momentaufnahme. So ist der Zustand eines Systems jetzt. Eine Messung ist nicht mehr und nicht weniger. Nur wenn wir aufgrund der Messung eine Entscheidung treffen und ggf. eine Maßnahme festlegen, beginnen wir mit einer Steuerung. Wenn die Tankuhr im Auto kurz vor „Leer“ steht, treffen wir die Entscheidung, eine Tankstelle anzufahren. Wir messen und steuern durch Grundlagen von Kennzahlen.
Wollen wir nach Berlin reisen, ist es sehr wohl von Bedeutung, ob wir jetzt in Hamburg oder in München stehen. Die Planung der Reiseroute ist eine Steuerung.
Ein Beispiel aus einem Unternehmen. Die Erstellung eines Angebots an einen Kunden dauert im Durchschnitt 30 Minuten. Der Mitarbeiter, der Angebote erstellt, kostet etwa 30 EUR / Stunde. Jedes Angebot kostet somit 15.- EUR. Das Unternehmen erstellt im Jahr 1.000 Angebote. Davon werden nur 40% der Angebote zu Aufträgen. Es werden pro Jahr 9.000 EUR mit dem Angebotsprozess verbrannt. So ist der Ist-Zustand.
Wenn dieses Ergebnis als Messgröße bekannt ist und der Unternehmer von dem Geld lieber in den Urlaub fährt, muss er steuern. Er kann aktiv nach Verbesserungsmaßnahmen suchen, um diese Art der Verschwendung zu verringern.
Denkbare Möglichkeiten wären:
- die Angebote müssen schneller erstellt werden
- man verlangt eine „Schutzgebühr“ je Angebot
- man steigert die Angebots- / Auftragsquote durch Nachfassen oder ähnliches
- u.v.m.
Mit der Messung von Zeit pro Angebot und Auftrag bekommt man die notwendige Transparenz. Jetzt ist eine aktive Steuerung des Prozesses möglich. Dadurch ergibt sich Prozesse steuern und optimieren nur durch sinnvolle Messungen!
Gibt es keine Messung, gibt es keine Steuerung.
Scheinwerfer-Effekt bringt bis zu 20% mehr Produktivität
Ergebnisse sichtbar zu machen und im Team darüber zu sprechen reicht aus, die Produktivität des Prozesses um bis zu 20% zu steigern. Das nennt man den Scheinwerfer-Effekt und wird im Shopfloor Management visuell verdeutlicht. Was beleuchtet wird, bekommt Aufmerksamkeit. Lean Games können Ihnen helfen, spielerisch diese Wirkung zu verdeutlichen!
Sie müssen den Prozess nicht mal ändern. Alleine ihn zu messen, reicht aus!
Was bedeutet messen? Was ist eine Messung?
Dazu ein Beispiel: Ein Biologe möchte wissen, wie es um die Fischpopulation in einem See steht. Dazu könnte er den See leerpumpen und alle Fische zählen.
Das ist präzise, aber dämlich.
Biologen entnehmen eine angemessene Anzahl von Stichproben, markieren die gefangenen Fische und entlassen sie wieder in die Freiheit. Nach einiger Zeit der „Durchmischung“ der markierten Fische mit unmarkierten Fischen werden erneut Stichproben entnommen. Aus dem Anteil der markierten Fische zu den unmarkierten Fischen lässt sich die Gesamtpopulation an Fischen ausrechnen.
Nicht ganz so präzise, aber deutlich intelligenter. Übrigens, präzise genug, um die Fragestellung der Biologen zur Fischpopulation ausreichend genau zu beantworten.
Messen ist nicht abzählen!
Mit einer Messung wollen wir die Unsicherheit, die wir über einen Sachverhalt haben, reduzieren. So weit reduzieren, dass unsere Entscheidung zu einer Frage ausreichend gut unterstützt wird.
Mit der Tankanzeige in unserem Auto wollen wir nicht exakt wissen, ob 37,85l Diesel im Tank sind. Sondern wir wollen wissen, ob er voll, halbvoll oder leer ist. Wir wollen wissen, wie weit wir in etwa noch fahren können, bevor wir stehen bleiben.
Es ist völlig irrelevant, ob wir für ein einzelnes Angebot 15 Minuten oder 16 Minuten brauchen. Aber es ist für Entscheidungen wichtig zu wissen, dass es pro Vorgang eine 1/4 Stunde ist und keine zwei Stunden!
Wenn das Ergebnis einer Messung keinen Änderungsbedarf aufzeigt, also alles in Ordnung ist, dann muss man auch nichts ändern. Aber das ist dann eine bewusste Entscheidung und kein „Bauchgefühl“.
Was sollte man messen?
Alles, was wirtschaftliche Relevanz im betroffenen Unternehmen hat und den Unternehmer hindert, die gesetzten Ziele zu erreichen. Aber eine kennzahlbasierte Steuerung baut man nicht auf einmal auf, sondern man beginnt Schritt für Schritt, Prozess für Prozess.
Typische Messgrößen für Prozesse, mit denen man beginnen sollte, sind Anzahl und Zeitdauer. Mit der Anzahl weiß der Prozessverantwortliche, wie oft der Prozess pro Zeiteinheit ausgeführt wird. Die Zeitdauer zeigt, wie lange man von Anfang bis Abschluss des Prozesses benötigt. Mit diesen einfachen Einheiten sollte man erstmal anfangen und lernen. Beginnen Sie mit den Informationen aus der Messung einen Dialog zu Ihrem Team, dann beginnen Sie mit echtem Lean Leadership. Auch der Prozess bei der Einstellung neuer Mitarbeiter lässt sich über Kennzahlen messen. Wie das geht, erfahren Sie in unserem Artikel über Employer Branding.
Was hindert uns an einer Messung?
Es gibt viele Gründe, warum wir im Büro die Effizienz nicht messen (wollen). Oder warum uns die Leistungsfähigkeit unserer betrieblichen Abläufe und Prozesse egal ist.
Fehlendes Bewusstsein
Es fehlt im Unternehmen und bei den Führungskräften das Bewusstsein über die Wichtigkeit, Messungen bei Prozessen im Allgemeinen durchzuführen. Und im Speziellen bei Büroprozessen und Verwaltungsarbeiten.
Angst vor der Messung und dem Messergebnis
Was man vielleicht schon immer geahnt hat, bekommt man nun schwarz auf weiß präsentiert. Messergebnisse sind schonungslos und direkt. Davor haben viele Menschen Angst. Sowohl die Unternehmer, als auch die Mitarbeiter.
Falsche Unternehmenskultur
Messungen sollte man als das verstehen, was sie sind. Eine Momentaufnahme des jetzigen Zustandes. Es ist, wie es ist. Jemanden dafür zu beschimpfen oder unangemessen zu reagieren, zeugt von einer falschen Unternehmenskultur. Es sollte vielmehr die Frage gestellt werden, was kann man jetzt tun, um das Ergebnis in die gewünschte Richtung hin zu beeinflussen.
Transparenz und Status quo
Die größten Gegner von Messung und Transparenz haben etwas zu verlieren. Ihren Status quo. Den eingefahrenen Zustand, so wie er ist. Sei es die Situation, in der man es sich gemütlich eingerichtet hat. Möglich ist auch die fehlende Entscheidungsstärke. Sei es irgendetwas, was dem Einzelnen so wichtig ist, dass er unbedingt daran festhalten will, ohne es namentlich zu benennen. In der Regel stecken Gründe dahinter, die mit den Unternehmenszielen nicht oder nur sehr schwer vereinbar sind.
Wer am heftigsten opponiert und dagegen ist, hat am meisten zu verlieren!
Fehlende Methode
Im Unternehmen ist schlicht nicht bekannt, wie man einfach und ohne großen Aufwand eine geeignete Messung aufbauen kann. Weil der zu messende Prozess unbekannt ist, weil man umständlich „abzählen“ will, weil es keine Workflows gibt oder warum auch immer.
Datenschutz und individuelle Leistungskontrolle
In vielen Unternehmen gibt es Regelungen zum Datenschutz und zur individuellen Leistungskontrolle. Diese Themenfelder sind im Vorfeld mit dem Datenschutzbeauftragten und ggf. mit dem Betriebsrat zu klären.
Von der Messung zur Steuerung
Messergebnisse liegen nun vor. Prima, was macht man nun damit? Erst Messen dann Steuern! Wenn sich an die Messung keine Maßnahmen zur Steuerung anschließen, ist die ganze Messung Verschwendung von Arbeitszeit. Daher sind für jeden Prozess Ziele festzulegen und eine Maßnahmenliste zu führen. Mit den Maßnahmen werden die Verbesserungsideen nachgehalten. Und die Wirksamkeit der Verbesserungen beweist man mit – Messungen!
Zurück zum Beispiel des Angebotsprozesses:
In einer genaueren Prozessanalyse hat sich herausgestellt, dass die Mitarbeiter sich nicht auf die Preise im Warenwirtschaftssystem verlassen können. Stattdessen fragen Sie bei jedem Angebot die aktuellen Preise der Materiallieferanten an. Bei dieser Anfrage wird wertvolle Arbeitszeit des Mitarbeiters vergeudet. Daneben bekommt man oft erst nach längerer Zeit Rückantwort vom Vorlieferanten. Das angefangene Angebot liegt so lange rum und kann nicht abgeschlossen werden.
Nach entsprechender Prüfung wird beschlossen, das Warenwirtschaftssystem um ein DATANORM-Modul zu ertüchtigen und alle Preise der Vorlieferanten elektronisch einzulesen. Das spart massiv Bearbeitungszeit bei den Mitarbeitern. Außerdem verkürzt es die Durchlaufzeit des Prozesses von „Kundenanfrage geht ein → Angebot ist versendet“ um 90%.
Der Einkaufsleiter ist beauftragt, das Software Projekt umzusetzen und der Vertriebsleiter nimmt den Prozess „Angebotserstellung“ in die dauerhafte Überwachung / Monitoring.
Sie wollen die Effizienz im Büro verbessern?
Dann nehmen Sie jetzt mit uns Kontakt auf! Wir haben langjährige Erfahrung in der Verbesserung von Büroprozessen. Mit dem sogenannten Lean Office und Digitalisierung kann man leicht die Effizienz um 30% bis 50% heben. Gehen Sie den ersten Schritt und schildern Sie uns Ihr Anliegen!
Es grüßt aus Bayreuth
Axel Schröder
Bildquelle: fotolia © Volker Witt