Menü

Wesen von Prozessen oder warum Prozesse ein Eigenleben haben

Das Wesen von Prozessen

Um grundsätzlich verstehen zu können, um was es beim Prozessmanagement eigentlich geht, wird man sich mit dem Wesen von Prozessen beschäftigen müssen. Aus den Anfängen meiner beruflichen Laufbahn, kann ich mich nicht an die Begrifflichkeiten Prozess oder Prozessmanagement erinnern.

Vor 30 Jahren sprach man hier von Abläufen, Beschreibungen und Organisationsanweisungen, die es täglich zu berücksichtigen galt.

Heute ist der Prozess in aller Munde und jede noch so kleine Abfolge von Arbeitsschritten wird zum Prozess der möglichst technisch mit einem oder mehreren Workflows verbunden ist. Schöne neue Welt und dennoch hat sich so viel gar nicht verändert.

Das Wesen von Geschäftsprozessen mit Definition im Video

Was sind Geschäftsprozesse eigentlich und wie beeinflussen typische Definitionen das Wesen von Prozessen? Ausgehend von Standard-Definitionen sehe ich mir Geschäftsprozesse einmal genauer an und zerlege sie in ihre elementaren Bestandteile.

Das Wesen von Prozessen

Wesen von Prozessen: Terminiertheit

Jeder Ablauf / Prozess hat immer einen definieren Start z.B. ein Kundenauftrag, Eingang einer Rechnung oder ein Telefonat. Ist der Prozess durchlaufen, endet dieser mit einem entsprechenden Ergebnis – also gibt es ebenso ein definiertes Ende. Mehr dazu finden Sie in unserem Artikel zur Prozessgrundlage.

Das Wesen von Prozessen
Das Wesen von Prozessen

Hier kann dies das Versenden einer E-Mail oder eines Bestätigungsschreibens sein. Damit ist die Terminiertheit ein wichtiges Kriterium für Prozesse.

Aktivitäten / Manipulation

Zwischen Start und Ende liegen immer ein bis viele Aktivitäten, die durch den Menschen oder auch durch technische Unterstützung ausgeführt werden. Beispiele hierfür sind das Prüfen der Eingangsrechnung oder auch das Schreiben des Briefes. Die Objekte eines Prozesses, also die Rechnung, der Antrag, das Telefonat etc. werden von einem menschlichen oder maschinellen Bearbeiter durch Aktivitäten manipuliert. Das Wesen von Prozessen ist daher mit Aktivitäten verbunden.

Entscheidungen / Varianten

In der Regel kommt man im Ablauf eines Prozesses auch an Stellen, wo es etwas zu entscheiden gilt – also hat ein Prozess Entscheidungen. Diese können in vielen Fällen sehr einfach mit Ja oder Nein beantwortet werden und führen damit zu Varianten im Prozess.

Ein banaler aber sehr hilfreicher Trick ist es, die „Wunschroute“ durch den Prozess mit einem grünen Filzstift zu markieren und an jedem Abzweig zu messen, wie hoch der Anteil ist, der dem Wunschweg folgt. Damit ergeben sich sofort viele Ideen, was man tun könnte, damit der Anteil der Fälle erhöht wird, die dem Wunschweg folgen.

Wesen von Prozessen: Zuständigkeiten & Schnittstellen

Oft hängen die Entscheidungen an Befugnissen bzw. Zuständigkeiten. Viele  Prozesse werden von Menschen abgearbeitet – damit besitzen die Menschen diese definierten Zuständigkeiten und haben die Verantwortung für die korrekte Abarbeitung des Prozesses.

Bestehen Abhängigkeiten bei der Abarbeitung  – spricht man von Schnittstellen des Prozesses. Diese Schnittstellen können organisatorischer oder technischer Natur sein. In unserem dritten ADONIS Tipp befassen wir uns mit dem BPMN Gateway und seinen Varianten.

Damit haben wir wichtige Punkte im Wesen von Prozessen herausgefunden, die im Grunde wesentlich für jeden Prozess sind. Und mögen die Prozesse noch so kompliziert sein, es werden sich immer Start und Ende, Aktivitäten, Entscheidungen, Schnittstellen und Zuständigkeiten ausmachen lassen.

Die Darstellung von Prozessen ist die eine Seite, damit erhält man transparente und nachvollziehbare Prozesse. In der Regel braucht es heutzutage, je nach Bereich durch Gesetze gefordert, die Dokumentation der Geschäftsprozesse. Die Umwandlung eines Unternehmens von einer hierarchischen zu einer prozessorientieren Organisation, ist nur durch die Modellierung aller Geschäftsprozesse zu realisieren.

Management von Prozessen

Bewertung von Prozessen

Dies ist im Prozessmanagement aber nur die Kür, denn es geht im Prozessmanagement viel mehr um die Bewertung von Prozessen. Das Wesen von Prozessen in klaren Zahlen und Fakten: Was kostet ein Prozess und wo gibt es Ansatzpunkte Prozesse effizienter, schlanker und kostengünstiger zu gestalten.

Hier kommt das Thema Prozesskostenrechnung ins Spiel – allein bei der Verwendung dieses Begriffs fangen viele Manageraugen an zu leuchten.

Prozesse messbar, bewertbar und einschätzbar zu machen – ist die eigentliche Königsdisziplin.

Das Wesen von Prozessen 2
Das Wesen von Prozessen 2

Dazu braucht es bestimmte Parameter. Man spricht hier auch vom zählen, wiegen, messen.

Klassische Prozesskennzahlen sind Mengen, Zeiten, Kosten für die einzelnen Prozessschritte sowie das Umlegen von Gemeinkosten auf einzelne Prozessschritte. Heraus kommen die Kosten für beispielsweise einen Prozess. Diese Kosten können dann verglichen werden – mit vergleichbaren Prozessen in anderen Organisationen innerhalb des Unternehmen oder auch außerhalb.

So finden sie die kostenintensiven Prozesse heraus und können nach Möglichkeiten forschen, die Kosten zu reduzieren. Das Wesen von Prozessen ist wichtig für die grundlegende Einschätzung!

Optimierung von Prozessen

An diesem Punkt angekommen, befindet man sich bereits in der Prozessoptimierung – wobei nicht allein die Reduktion von Prozesskosten im Fokus stehen darf.

  • Die Prozesse sollen praxistauglich sein – dies ist immer wieder zu hinterfragen
  • Aber Prozesse sollen effizient und schnell sein – die Qualität der Ergebnisse sind permanent zu überprüfen und zu verbessern
  • Prozesse sollen sich den verändernden Bedingungen anpassen – diese Herausforderung muss man sich stellen
  • Und Prozesse sollen so kostengünstig wie möglich sein

In Summe spricht man genau dann von Prozessmanagement, wenn diese Aspekte Berücksichtigung finden.

Unternehmen betreiben Prozessmanagement aus unterschiedlichen Gründen heraus. Die stärksten Treiber sind mit Sicherheit die finanziellen. Man versucht seine Abläufe effizienter, schneller und kostengünstiger gestalten. Richten soll es das Prozessmanagement und alle müssen sich mit Prozessen und Prozessmanagement befassen. Bei der Problemlösung bewährt, hat sich der Zugang über die Prozessebene. Das Wesen von Prozessen ist daher immer mit den Möglichkeiten verbunden.

Eigenleben von Prozessen

Andere Treiber können aber Robustheit und Ausfallsicherheit von Prozessen sein – selbst wenn diese dadurch nicht mehr „billigst“ durchgeführt werden können. Nur wenn alle Prozesse im Unternehmen hoch effizient ablaufen und auf ihre Weise entscheidend zur Wertschöpfung beitragen, wird man im Wettbewerb von heute und morgen bestehen können.

Somit ist Prozessmanagement existenziell und faszinierend – zuweilen erlebt man aber auch immer wieder Kuriositäten.

Aus diesem Grund möchte ich hier eine kurze Geschichte zum Wesen von Prozessen erzählen – die nicht weit weg ist von der täglichen Realität.

Der perfekte Prozess

Nehmen wir einmal an, in einem Unternehmen befassen sich Menschen mit der Erstellung von Prozessen und modellieren diese mit ausgefeilten Tools.

der perfekte Prozess
der perfekte Prozess

Heraus kommt der perfekte Prozess – dieser wird abgestimmt, in mehrstufigen Freigabeworkflows methodisch und fachlich freigeben und schlußendlich in die tägliche Arbeit integriert.

Nun dürfen die armen Mitarbeiter genau nach diesem perfekten Prozess täglich ihre Arbeit verrichten. Aber mit EINEM Prozess ist lange nicht Schluß. Man erfasst das gesamte Unternehmen. Auch den Bewerbungsprozess!

Prozessflut ohne das eigentliche Wesen zu erkennen

So entstehen hunderte von Prozessen, werden abgestimmt, freigegeben und gehen danach quasi in die Produktion. Es entsteht die berühmte Prozesslandkarte und man ist stolz – seine Prozesse im Griff zu haben. Eine Prozesslandkarte erstellen ist im ersten Schritt leichter als gedacht – folgen Sie unseren ADONIS-Tipps zum vollständigen Prozessmanagement in KMU und Handwerk!

Schaut man jedoch nach einiger Zeit den Menschen bei ihrer Arbeit über die Schulter – stellt man fest, dass der Prozess überhaupt nicht so gelebt wird – wie man ihn doch so perfekt gestaltet hat. Frustration macht sich breit. Das Wesen von Prozessen fällt sofort in Ungnade.

Der Prozess hat ein Eigenleben entwickelt und sich in der Realität an die tägliche Praxis angepasst – na vielleicht haben die Menschen auch festgestellt, dass der perfekte Prozess nicht zu den zu bewältigenden Aufgaben passt.

Gut, mag sein, dass hier eher die Menschen den Prozess verändert haben. Jedoch wird Prozessmanagement nicht betrieben, um den perfekten Prozess zu gestalten.

Es geht um die effiziente und kostengünstige Abarbeitung von täglichen Aufgaben durch Menschen.

Wesen von Prozessen – ganz praxistauglich!

Der bessere Weg
der praxistaugliche Prozess

Gestalten wir also praxistaugliche, effiziente und kostengünstige Prozesse – das geht nur zusammen mit den Menschen die diese Prozesse täglich mit Leben füllen.

Also nehmen wir sie von Anfang an mit und sind gemeinsam erfolgreich im Prozessmanagement.

Dazu sind ein paar ganz einfache Schritte notwendig, die aber Prozessmanagement viel leichter zum Erfolg werden lassen und sich an Lean Production orientieren.

Sieben Schritte für den Umgang mit Prozessen

  1. Gehen Sie dorthin, wo die Prozesse ausgeführt werden.
  2. Sprechen Sie mit den Menschen, die die Prozesse ausführen
  3. Helfen Sie diesen Menschen mit Ihrem Methodenwissen der Modellierung, aber gestalten Sie die Prozesse nicht FÜR sie.
  4. Legen Sie gemeinsam fest, wer künftig den Änderungsdienst übernimmt. Normalerweise jemand aus der Gruppe derjenigen, die den Prozess ausführen.
  5. Lassen Sie Änderungen am Prozess bewusst zu aber bestehen Sie auf eine Begründung, warum es anders besser ist.
  6. Diskutieren Sie die Änderung mit allen anderen Beteiligten und lassen Sie die Gruppe über die Änderung entscheiden.
  7. Trauen Sie den Menschen, die die Prozesse ausführen, zu, daß Verantwortung für den Prozess übernommen wird.

Eine kleine Anmerkung habe ich zu dieser Geschichte noch:

Ehrlich gesagt stammt die Idee nicht ganz allein von mir – vielmehr von Guido Schmitz (PENTADOC AG) und Yves Mollenhauer. Ich habe den Artikel übernommen und nach rund 5 Jahren überarbeitet. Die Realität ist hiervon jedoch wahrlich nicht weit entfernt. Prozesse entwickeln immer ein Eigenleben und (fast) immer hat das einen guten Grund. Wenn der gelebte Prozess nichts mehr mit Ihrem Design zu tun hat, sollten Sie mal Ihren Prozess des Prozessmanagements überdenken.

PS: Sicher haben Sie bemerkt, dass die beiden Labyrinthe nicht identisch sind – somit ist auch der Weg heraus nicht identisch. Dies lehrt mich aber die tägliche Auseinandersetzung mit Prozessen – es ist nicht immer so wie es scheint.

Mit bestem Gruß
Axel Schröder

Bildquelle: fotolia, © WavebreakMediaMicro