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Warum Sie sich mit Prozesszielen beschäftigen sollten…
„Wer den Hafen nicht kennt, in den er segeln will, für den ist kein Wind der richtige.“
Dieses Zitat von Seneca bringt präzise auf den Punkt, woran viele Unternehmen scheitern: nicht an Ressourcenmangel, Technik oder Mitarbeitermotivation, sondern an einem Mangel an Prozesszielen und der notwendigen Zielklarheit. Gerade in einer Unternehmenswelt, die sich um Agilität, Digitalisierung und Effizienz dreht, ist das Ziel das entscheidende Element, das diesen Konzepten Wirkung verleiht.
Prozessziele geben Prozessen Richtung, machen sie steuerbar und verbinden strategische Absichten mit operativer Umsetzung. Dennoch begegnet man in der Praxis immer wieder dem gleichen Muster: Prozesse laufen – aber ohne erkennbaren Zweck. Führungskräfte führen ohne Zielbild, Mitarbeiter arbeiten ohne klares Ergebnisverständnis. Dieser Artikel zeigt, warum Prozessziele unverzichtbar sind, wie sie richtig definiert werden und welche Fehler es zu vermeiden gilt.
Inhaltsverzeichnis
- Warum Sie sich mit Prozesszielen beschäftigen sollten…
- Warum Prozessziele so wichtig sind
- Der Weg zu wirksamen Prozesszielen
- Typische Fehler bei der Zieldefinition – und wie man sie vermeidet
- Herausforderung 1: Fehlende oder unklare Unternehmensziele
- Herausforderung 2: Die Sandwich-Position der Führungskraft
- Herausforderung 3: Top-Down funktioniert nicht – Bottom-Up ist notwendig
- Herausforderung 4: Zieldefinition ohne Einbindung des Teams
- Herausforderung 5: Fehlende Daten für Zieldefinition und -verfolgung
- Zusammenfassung und Fazit zu den Prozesszielen
Warum Prozessziele so wichtig sind
Prozessziele schaffen Orientierung
Prozessziele wirken wie ein Kompass im betrieblichen Alltag. Sie helfen nicht nur bei der Priorisierung von Aufgaben, sondern strukturieren auch komplexe Arbeitszusammenhänge. In Organisationen mit vielen Abteilungen, verteilten Verantwortlichkeiten und digitalen Schnittstellen geben sie die notwendige Richtung vor. Sie schaffen Klarheit darüber, was erreicht werden soll – und was nicht. Dadurch lassen sich Aktivitäten besser aufeinander abstimmen, redundante Arbeit vermeiden und Ressourcen gezielter einsetzen. Ohne klare Ziele agieren Teams oft nebeneinander statt miteinander, und das Gesamtbild gerät aus dem Blick.
Motivation erzeugen
Prozessziele sind weit mehr als Leistungskennzahlen – sie geben Arbeit Bedeutung. Wenn Mitarbeiter erkennen, wie ihr tägliches Tun zum großen Ganzen beiträgt, entsteht eine emotionale Bindung. Der eigene Beitrag wird als relevant wahrgenommen. Das motiviert. Auch im Sinne der Selbstwirksamkeit entfalten Prozessziele ihre Kraft: Wer messbare Fortschritte sieht, bleibt eher engagiert und entwickelt eine aktive Haltung zur Verbesserung. Darüber hinaus fördern Ziele auch die Kommunikation innerhalb des Teams, da sie einen gemeinsamen Bezugsrahmen schaffen.
Führung wirksam machen
Führung ohne Prozessziele ist wie Navigation ohne Karte. Nur wenn klar ist, was ein Prozess leisten soll, können Führungskräfte ihre Rolle aktiv wahrnehmen: steuern, begleiten, unterstützen. Ziele schaffen die Basis für Transparenz und Verlässlichkeit im Führungsverhalten. Sie ermöglichen faktenbasierte Gespräche, zielgerichtetes Feedback und konsequente Prioritätensetzung. In der täglichen Praxis zeigt sich immer wieder: Führungskräfte mit klaren Zielen sind nicht nur wirksamer, sondern werden auch als glaubwürdiger und orientierungsstärker wahrgenommen.
Strategie und Alltag verbinden
Prozessziele erfüllen eine wichtige Brückenfunktion. Sie übersetzen abstrakte Strategieformulierungen in konkrete Handlungen auf Prozessebene. Das ist entscheidend, um strategische Vorhaben tatsächlich in die Organisation zu bringen. Ohne diese Übersetzungsleistung bleibt Strategie Papier – und versandet im Tagesgeschäft. Prozessziele ermöglichen, dass jeder Mitarbeiter versteht, was seine Tätigkeit mit der Gesamtstrategie zu tun hat. Damit leisten sie einen wesentlichen Beitrag zur sogenannten Strategiedurchdringung. Sie schaffen Kohärenz zwischen langfristiger Ausrichtung und kurzfristigem Handeln – und das auf allen Ebenen im Unternehmen.
Bessere Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen hinweg
Ein oft unterschätzter Nutzen klarer Prozessziele liegt in der besseren Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen hinweg. Wenn alle Beteiligten auf dasselbe Ergebnis hinarbeiten, werden Schnittstellen reibungsloser, Verantwortlichkeiten klarer und Konflikte seltener. Auch die Digitalisierung profitiert von eindeutigen Zielen: Nur wenn klar ist, was automatisiert oder verbessert werden soll, können Technologien sinnvoll eingesetzt werden. Schließlich stärken Prozessziele auch die Fähigkeit zur Skalierung. Prozesse, die auf klaren Zielen basieren, lassen sich leichter auf andere Standorte, Teams oder Geschäftsbereiche übertragen – eine wichtige Voraussetzung für Wachstum und Standardisierung.
Der Weg zu wirksamen Prozesszielen
Um Ihnen den Weg zu wirksamen Prozesszielen zu zeigen, habe ich ein Video erstellt.
Vom Unternehmensziel zum Prozessziel
Ein gutes Prozessziel entsteht nicht aus dem Bauchgefühl, sondern wird systematisch abgeleitet – entweder aus der Unternehmensstrategie oder aus konkreten Kundenanforderungen. Dabei gilt: Prozessziele sind kein Selbstzweck. Sie dienen der Umsetzung übergeordneter Ziele und stellen sicher, dass operative Maßnahmen im Einklang mit der strategischen Stoßrichtung stehen. Die zentrale Frage lautet immer: „Was muss unser Prozess leisten, damit wir unser Unternehmensziel erreichen?“
Ein Beispiel: Hat ein Unternehmen das Ziel, die Kundenbindung zu verbessern, lässt sich daraus ein Prozessziel im Bereich Kundenservice ableiten, etwa: „90 % aller Kundenanfragen werden innerhalb von 4 Stunden abschließend bearbeitet.“ So wird aus einer strategischen Intention ein konkreter Auftrag an einen Prozess.
Darüber hinaus sollten auch externe Faktoren berücksichtigt werden – etwa regulatorische Anforderungen, Marktveränderungen oder technologische Entwicklungen. Diese können ebenfalls Einfluss auf die Ausrichtung und Priorität von Prozesszielen nehmen.
Merkmale guter Ziele
Damit ein Prozessziel Wirkung entfalten kann, muss es bestimmte Qualitätskriterien erfüllen. Ein Ziel wie „Wir wollen flexibler werden“ bleibt nebulös und bietet keinerlei Steuerungswirkung. Dagegen bietet ein Ziel wie „Die durchschnittliche Rüstzeit wird bis zum 30.06. um 20 % reduziert“ eine klare Richtung und eine überprüfbare Zielmarke.
Ein gutes Prozessziel ist:
- Konkret: Es beschreibt ein eindeutiges Ergebnis oder einen Zielzustand.
- Messbar: Der Zielerreichungsgrad lässt sich objektiv anhand von Kennzahlen überprüfen.
- Erreichbar: Das Ziel ist ambitioniert, aber realistisch – bezogen auf Zeit, Ressourcen und Kompetenzen.
- Relevant: Es hat einen klaren Bezug zu einem strategisch bedeutsamen Thema.
- Terminiert: Es enthält eine nachvollziehbare Zeitvorgabe.
Diese Kriterien orientieren sich an der bekannten SMART-Formel, die sich in der Praxis bewährt hat. Ergänzend kann es sinnvoll sein, das Ziel auch hinsichtlich seiner Wirkung auf andere Prozesse zu bewerten – Stichwort Systemdenken: Führt das Ziel zu Verbesserungen im Gesamtablauf oder nur zu lokaler Optimierung?
Wirkung durch das „Wenn…dann…“-Prinzip
Ein besonders wirkungsvolles Werkzeug zur Zielformulierung ist das „Wenn…dann…“-Prinzip. Es verbindet Ziel und Nutzen in einer logischen Kausalkette und macht so den Mehrwert der Zielerreichung greifbar. Beispiel: „Wenn wir die Reklamationsquote unter 1 % senken, dann sparen wir jährlich 200 Stunden Nacharbeit und verbessern unsere Kundenbindung.“
Dieses Prinzip eignet sich besonders gut für die Kommunikation im Team und gegenüber Stakeholdern. Es zeigt nicht nur, was erreicht werden soll, sondern warum es wichtig ist. Dadurch steigt die Akzeptanz – und die intrinsische Motivation. Mitarbeiter erkennen den Sinn hinter einer Maßnahme, was die Identifikation mit dem Ziel deutlich erhöht.
Zusätzlich erlaubt das „Wenn…dann…“-Denken eine Art Wirkungsanalyse: Welche Konsequenzen hat das Ziel? Welche Prozesse, Rollen oder Systeme sind davon betroffen? So lassen sich auch Nebeneffekte frühzeitig erkennen und gegebenenfalls abfedern.
Binden Sie die Mitarbeiter ein
In der Praxis empfiehlt es sich, die Zielentwicklung partizipativ zu gestalten. Teams, die an der Zielformulierung beteiligt sind, fühlen sich verantwortlich und setzen die Vorgaben mit größerer Konsequenz um. Zudem lohnt es sich, Ziele regelmäßig zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Denn Rahmenbedingungen ändern sich – und mit ihnen auch die Anforderungen an Prozesse. Ein agiler Umgang mit Prozesszielen ist kein Zeichen von Beliebigkeit, sondern Ausdruck eines lernenden Systems.
Typische Fehler bei der Zieldefinition – und wie man sie vermeidet
Viele Ziele scheitern nicht an mangelnder Ambition, sondern an schlechter Formulierung oder fehlender Kommunikation. Unklare Ziele wie „Wir wollen besser werden“ helfen niemandem – sie erzeugen vielmehr Frust, Orientierungslosigkeit und ineffiziente Aktivitäten. Ebenso wenig nützen Ziele, die ohne Datenbasis formuliert wurden oder außerhalb des Einflussbereichs der Beteiligten liegen. Sie wirken demotivierend und untergraben die Glaubwürdigkeit von Führung und Steuerung.
Ein häufiger Fehler liegt auch darin, zu viele Ziele gleichzeitig zu setzen. Dadurch verliert das Team den Fokus, Prioritäten verschwimmen und es entsteht operative Hektik statt gezielter Verbesserung. Weniger, dafür klar priorisierte Ziele sind meist wirkungsvoller.
Ein weiterer typischer Stolperstein: Ziele werden zwar formuliert, aber nie überprüft. Ohne regelmäßiges Monitoring, Feedback und Reflexion verlieren sie ihre Relevanz. Es entsteht ein Zustand, in dem Ziele zwar „irgendwo stehen“, aber nicht gelebt werden.
Auch die mangelnde Beteiligung der Mitarbeiter in der Zielfindung ist kritisch. Werden Ziele top-down vorgegeben, ohne Bezug zur operativen Realität, stößt das auf Widerstand oder Gleichgültigkeit. Wer mitgestalten darf, übernimmt Verantwortung – und verfolgt das Ziel mit mehr Energie. Nicht zuletzt werden oft zu komplexe oder überambitionierte Ziele gesetzt. Diese wirken überfordernd, demotivieren und blockieren Fortschritte. Besser ist es, ambitionierte, aber erreichbare Etappenziele zu formulieren und auf kontinuierliche Verbesserung zu setzen.
Gute Ziele brauchen nicht nur Inhalt, sondern auch ein gutes Zielmanagement. Dazu zählen regelmäßige Reviews, klare Verantwortlichkeiten und einfache Visualisierung. Ob digital oder analog – sichtbar gemachte Ziele erhöhen die Verbindlichkeit. Ebenso sollten Ziele mit bestehenden Steuerungsinstrumenten (z. B. OKRs, Balanced Scorecard, Management by Objectives, Hoshin Kanri) verzahnt werden. So entsteht eine konsistente und wirkungsvolle Steuerungslogik im Unternehmen.
Herausforderung 1: Fehlende oder unklare Unternehmensziele
Viele Unternehmen haben zwar eine Vision oder ein Leitbild, aber keine klaren, operationalisierten Ziele, die sich auf einzelne Bereiche oder Prozesse herunterbrechen lassen. Häufig lautet das strategische Ziel einfach: „Wir wollen besser werden.“
Doch was heißt das konkret? Besser im Hinblick auf Qualität? Geschwindigkeit? Kundenorientierung? Kosten? Flexibilität?
Ohne präzise Unternehmensziele fehlt die Grundlage für die Ableitung sinnvoller Prozessziele.
Das Ergebnis:
- Führungskräfte agieren reaktiv statt strategisch.
- Prozessverantwortliche setzen Ziele „nach Bauchgefühl“.
- Verbesserungsinitiativen laufen ins Leere oder erzeugen keine nachhaltige Wirkung.
Herausforderung 2: Die Sandwich-Position der Führungskraft
Führungskräfte im mittleren Management befinden sich oft in einer undankbaren Sandwichposition:
- Von oben kommen keine klaren Zielvorgaben.
- Von unten erwartet das Team Orientierung, Priorisierung und Steuerung.
Das erzeugt einen erheblichen Druck – insbesondere, wenn die Verantwortung für die Zielerreichung dennoch bei der Führungskraft liegt.
Typischer Gedanke:
„Wie soll ich mein Team führen, wenn ich selbst nicht weiß, worauf wir hinarbeiten sollen?“
Die Gefahr: Führung wird entweder auf operative Aufgabensteuerung reduziert oder verliert an Wirkung, weil die Richtung fehlt.
Herausforderung 3: Top-Down funktioniert nicht – Bottom-Up ist notwendig
Ideal wäre ein sauberer Top-Down-Zielkaskadenprozess:
Strategische Ziele → Prozessziele → Teamziele → Mitarbeiterziele
In der Realität passiert das aber selten. Viele Organisationen scheitern bereits an der Kaskadierung von Zielen. Die Folge:
- Es entstehen Brüche zwischen Management und operativer Ebene.
- Mitarbeiter erkennen den Sinn ihrer Arbeit nicht.
- Führungskräfte „basteln“ sich eigene Ziele.
Die Lösung?
Beginnen Sie Bottom-Up – im eigenen Verantwortungsbereich. Auch wenn es keine klare Strategie von oben gibt, können Sie lokal wirksame Prozessziele setzen, die auf Effektivität und Effizienz ausgerichtet sind. Das signalisiert Führungsstärke, zeigt Eigeninitiative – und schafft oft sogar Aufmerksamkeit „nach oben“, weil gute Resultate sichtbar werden.
Herausforderung 4: Zieldefinition ohne Einbindung des Teams
Ein häufiger Fehler: Ziele werden von einer Führungskraft im Alleingang definiert – ohne die Mitarbeiter, die sie umsetzen sollen, mit einzubeziehen. Das führt zu:
- Widerstand („Das ist realitätsfern!“)
- Frustration („Wieso sollen wir das plötzlich anders machen?“)
- Geringer Motivation („Wird ja eh wieder über den Haufen geworfen…“)
Die bessere Variante:
Ziele gemeinsam im Team definieren – oder zumindest gemeinsam konkretisieren. Wer an der Zielformulierung beteiligt ist, fühlt sich verantwortlich. Und das erhöht die Umsetzungskraft enorm.
Herausforderung 5: Fehlende Daten für Zieldefinition und -verfolgung
Prozessziele leben von ihrer Messbarkeit. Doch viele Unternehmen haben keine oder nur unzuverlässige Prozessdaten. Ohne Zahlen keine Transparenz – ohne Transparenz keine Steuerung.
Beispiele für fehlende Daten:
- Wie lange dauert ein Prozessschritt im Durchschnitt?
- Wie viele Reklamationen fallen pro Monat an?
- Wie hoch ist die Nacharbeitsquote?
Wenn diese Informationen fehlen, wird Zielsetzung zur Rateshow.
Der Weg heraus:
- Schrittweise Kennzahlenbasis aufbauen.
- Mit einfachen Erhebungen starten (z. B. Stoppuhr, Excel, Mitarbeiter-Tracking).
- Parallel einfache, aber sinnvolle Ziele formulieren – und mitwachsen.
Zusammenfassung und Fazit zu den Prozesszielen
Prozessziele sind kein Selbstläufer. Sie stehen und fallen mit der organisationalen Realität.
Fehlende Vorgaben, unklare Strategien oder mangelnde Datenbasis dürfen aber kein Grund sein, Ziele ganz zu vermeiden. Denn auch ohne perfekte Rahmenbedingungen lässt sich mit etwas Mut, Pragmatismus und Teamorientierung viel erreichen.
Führung bedeutet, in Unsicherheit Orientierung zu geben. Prozessziele helfen dabei – selbst dann, wenn sie nicht „von oben“ kommen.
Sie möchten klare Unternehmensziele und Prozessziele in Ihrem Unternehmen etablieren und suchen Unterstützung? Schauen Sie doch mal in unsere UAS-Strategiewerkstatt, es lohnt sich!
Mit bestem Gruß aus Bayreuth,
Axel Schröder